Was andere Länder seit Jahren vorleben, macht spät, aber doch auch in Österreich Schule. Ab Jänner sind Plastikflaschen und Getränkedosen bares Geld wert. 25 Cent zahlen Konsumenten für sie in Handel und Gastronomie. Retour gibt es dieses Pfand nur, wenn die Gebinde weitgehend unbeschädigt zurückgegeben werden. Sind Barcode und Pfandlogo auf der Etikette nicht mehr lesbar, sind die Verpackungen für die neue Kreislaufwirtschaft verloren.
Ziel ist es, der Getränkeindustrie den Zugriff auf gebrauchte Materialien zu erleichtern und den Import teurer Rezyklate zu reduzieren. Druck macht die EU: Sie fordert von Produzenten zum einen ab 2025 die Verarbeitung von zu 25 Prozent recyceltem Kunststoff. Zum anderen schreibt Brüssel vor, dass in den kommenden sechs Jahren 90 Prozent aller PET-Flaschen getrennt zu sammeln sind. Österreich setzt sich diese Latte für 2027. In jedem Fall sollen Bilder von leichtfertig in Stadt und Natur entsorgten Gebinden der Vergangenheit angehören.
Wettlauf um Rohstoffe
Kaum ein Projekt der Kreislaufwirtschaft schlug im Vorfeld höhere Wellen. Etablierte Entsorger warnten mit Blick auf Tonnen wertvoller Rohstoffe, die ihnen künftig entgehen, vor dem Aufbau zu kostspieliger paralleler Sammelsysteme. Der Handelsverband sprach angesichts des zusätzlichen Aufwandes für Automaten und Personal von volkswirtschaftlichem Wahnsinn. Auch die Wirtschaftskammer stellte Mauern auf. Sie verhieß das Ende unzähliger kleiner Nahversorger und Gastronomen.
Die Aufregung legte sich, die Front im Einzelhandel bröckelte. 2021 machte die Regierung Nägel mit Köpfen und einigte sich auf ein Pfand ab 2025. Nunmehr ziehen alle Beteiligten an einem Strang, resümieren Monika Fiala und Simon Parth. Die Geschäftsführer der Recycling Pfand Österreich sehen die Abwicklung desselbigen in der Zielgeraden und die Konsumenten auf ihrer Seite. Einer aktuellen Umfrage des Marktforschers Marketagent zufolge würden 80 Prozent der Österreicher ein Einwegpfand befürworten.
In den Startlöchern steht der Handel. Mittlerweile sei fast das gesamte Netz an Filialen mit Rückgabeautomaten ausgestattet, sagt Parth. Er sieht das neue Sammelsystem davon profitieren, dass Österreich über eine der höchsten Dichten an Supermärkten in Europa verfügt. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass sich 90 Prozent der Getränkeverpackungen über Automaten sammeln ließen. Diese zählen Dosen und Flaschen, pressen sie auf die Hälfte ihres Volumens, ehe sie in Zentrallagern zu Ballen gequetscht werden, die Sortieranlagen sodann nach Material und Farben trennen.
Keine zusätzlichen Kilometer
Rund 200 Millionen der jährlich 2,2 Milliarden Flaschen und Dosen sollen händisch zurückgenommen werden. Bestehende Getränkelieferanten und Großhändler wie Transgourmet werden sie ab dem ersten Sack in Zentrallager verfrachten. Fehlen Tarifpartner, organisiert ab drei vollen Säcken die Firma Ökopoint die Abholung. Das Joint Venture aus dem Entsorger Kerschner und dem Logistiker Cargoe fährt jeden Ort in Österreich sechsmal die Woche an.
Auch hier sei der Transport ohne zusätzliche Kilometer effizient organisiert, betonen Fiala und Parth. Hubert Troppmann ist sich jedoch sicher: Wenn wo in den ersten Jahren Chaos droht, dann hier. Der Gründer von Tinventions entwickelte Sammelautomaten mit integrierter Presse, die Gastronomen und kleinen Händlern eine platzsparende hygienische Lagerung von Gebinden versprechen. Troppmann erzählt von Ländern wie Rumänien, in denen sich viele Rücknehmer nicht offiziell registrierten, Getränke teurer verkauften, Gebinde aber der Einfachheit halber weiterhin aufs Geratewohl entsorgten.
Den losen Transport von Dosen und Flaschen in Österreich hin zu den Zählstellen nennt der Unternehmer steinzeitlich. In der Schweiz seien seine Sammelautomaten im Einsatz, Polen ziehe Ende 2025 nach. Voraussetzung dafür seien jedoch Seriennummern für jedes einzelne Produkt. Österreich, das für die IT den slowakischen Spezialisten Sensoneo an Bord holte, sieht es an der Anbringung dieser Codes scheitern.
Frage der Technologie
Es gebe derzeit keine Technologie, die eine Serialisierung während des Drucks der Etiketten oder während der Befüllung so rasant umsetze, dass es die Kosten rechtfertige, sagt Fiala. Entsprechende Standards zeichneten sich erst in fünf bis zehn Jahren ab. Troppmann hält eine eindeutige Kennzeichnung der Gebinde mit Verweis auf entsprechende Anbieter schon jetzt für machbar und notwendig. Denn die EU strebe eine Harmonisierung der Pfandsysteme an, was eine betrugssichere Kennzeichnung der Flaschen und Dosen voraussetze.
Vom Pfand ausgenommen werden Milchprodukte und Sirupe. Wer meint, Verpackungen jetzt schon sammeln zu können und dafür ab Jänner jeweils 25 Cent zu kassieren, sei daran erinnert, dass Geld nur für Gebinde mit entsprechendem Logo zurück an die Verbraucher fließt. Getränke ohne Code dürfen allerdings parallel zu den bepfandeten Getränken noch bis Ende 2025 verkauft werden. Fiala hofft, dass dies nur in den ersten drei Monaten Verwirrung stiftet.
Einzelne Nutznießer des Pfandschlupfes wird es keine geben. Das Geld für Flaschen und Dosen, deren Pfand nicht eingelöst wird, ist Teil der Finanzierung des neuen Sammelsystems.